Die AMMD verteidigt ihre Vorstellungen von Ärztegesellschaften. Ihr Ex-Präsident und ihr Ex-Vize haben noch eine andere Geschäftsidee

Philippe & Alain s.a.

Bei einer Pressekonferenz der AMMD 2016: Der damalige Präsident Alain Schmit...
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 31.10.2025

Der Findel ist Luxemburgs Tor zur Welt. In seiner Nähe ein neues Angebot zu machen, kann für einen Geschäftsmann kluges Marketing sein. Im März nächsten Jahres soll die „Findel Clinic“ ihre Türen öffnen. Eine mehrsprachige Internetseite hat sie schon. Die wirbt für „eine neue multidisziplinäre Klinik – gegründet von Ärztinnen und Ärzten, für Ärztinnen und Ärzte, mit den Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt jeder Entscheidung“. Ihr Initiator Philippe Wilmes sagt, es handle sich um ein „tolles Projekt“.

Klinik klingt wie Krankenhaus, wie Zithaklinik oder Clinique St. Joseph in Wiltz. Dass ausgerechnet Philippe Wilmes, im Hauptberuf Chirurg an den Hôpitaux Robert Schuman, ein Krankenhaus gegründet haben will, ist merkwürdig. Zum einen, weil Krankenhäuser staatlich geplant werden. Zum anderen, weil Wilmes, bis Ende vergangenen Jahres Vizepräsident des Ärzteverbands AMMD und der rhetorisch Begabteste im Vorstand, besonders öffentlichkeitswirksam gegen die Spitäler zu Felde zog. Schwerfällig, ineffizient und kaum fähig zur Innovation seien sie. Heute will er davon nichts mehr wissen. Aber ein Spital, vielleicht ein privates, „von Ärztinnen für Ärzte“, soll die Findel Clinic auch nicht sein. Sondern ein großes Ärztehaus mit bis zu 15 Spezialitäten. Clinic klingt einfach knackig, und geschützt ist die Bezeichnung in Luxemburg nicht. Findel Clinic passt zum Tor zur Welt und zum Findel Business Center von Félix Giorgetti, wo die Findel Clinic Räume gemietet hat.

Doch das ist nicht nur Marketing. Hinter dem Vorhaben stehen auch Akteure, die man in der Medizin nicht vermuten würde: Marc Giorgetti, Alain Kinsch, Marc Hoffmann und der IT-Manager Félix Retter. Gio-CEO Giorgetti und Alain Kinsch, früher Managing Partner von E/Y, heute Mitglied in vielen boards und im Staatsrat, halten persönlich je zehn Prozent der Aktien der Phial s.a., die die Findel Clinic ermöglichen soll. Marc Hoffmann, Ex-CEO der Compagnie de Banque Privée und Verwaltungsratspräsident von Intesa Sanpaolo Wealth Management, hält zehn Prozent über seine Vermögensverwaltung Savalmo. Weitere zehn Prozent hat Sopare gezeichnet, eine Beteiligungsgesellschaft. Für sie sitzt Félix Retter im Phial-Verwaltungsrat. Marc Giorgetti, Alain Kinsch und Marc Hoffmann sind die anderen Administrateure. Wie Philippe Wilmes und Alain Schmit, Gastroenterologe im Süd-Klinikum Chem und bis Dezember AMMD-Präsident. Wilmes und Schmit halten die Mehrheit der Aktien, Wilmes hält 38 Prozent,
Schmit 22 Prozent. Der Gesellschaftsname Phial kombiniert ihre Vornamen Philippe und Alain. „Zwei Jahre haben Alain und ich an unserer Idee gearbeitet“, erzählt Wilmes.

Die Idee besteht nicht, wie man wegen der politischen Aktualität meinen könnte, in einer Ärztegesellschaft, die Mediziner/innen einstellt. Und die zur Stärkung ihres Kapitals Finanziers gewonnen hätte, die nicht aus dem Beruf kommen. So etwas wünscht die AMMD sich für die Zukunft. Dass CSV-Gesundheitsministerin Martine Deprez solchen Gesellschaften bislang weniger Freiheiten gewähren will, sei „zutiefst enttäuschend“, schrieb die AMMD ihr am 3. Oktober und schickte eine Kopie auch an den Premier und die gesundheitspolitisch aktive DP-Präsidentin Carole Hartmann.

Hätten der Ex-Präsident der AMMD und ihr Ex-Vize so etwas jetzt schon gegründet und sich Rückendeckung durch namhafte, gut vernetzte Akteure aus der Wirtschaft geholt, wäre das eine politische Provokation ersten Ranges. Unmöglich wäre sie vielleicht nicht: Vor drei Jahren war die im Gesundheitsrecht erfahrene Anwaltskanzlei Penning, Schiltz & Wurth in einem Gutachten zu dem Schluss gelangt, auch ohne Spezialgesetz sei die Gründung von Ärztegesellschaften als Handelsgesellschaften möglich, wenn auch nicht ganz einfach.

Dagegen hat die Philippe & Alain s.a. etwas anderes im Sinn. Sie zielt auf Ärzt/innen im grenznahen Ausland ab, die interessiert sein könnten, tageweise in Luxemburg zu praktizieren. Sie kämen als Freiberufler und blieben es. Phial würde ihnen in der Findel Clinic gegen Entgelt ein Rundum-Paket aus Praxisräumen, Ausrüstung, Personal und Administration zur Verfügung stellen. Die bis zu 15 Disziplinen, die Philippe Wilmes und Alain Schmit in der Clinic ansiedeln möchten, reichen von der Allgemeinmedizin über Psychiatrie bis hin zur Kardiologie. „Die Ärzte werden sich voll auf ihre Medizin konzentrieren und einen multidisziplinären Austausch haben können“, sagt Wilmes, der die Idee gern als „idealistisch“ verstanden sehen möchte. Auf die Frage, wie Phial Geld verdienen soll, entgegnet er, das sei eine „zu kapitalistische Sicht“. Er wisse gar nicht, „ob wir Geld verdienen werden“.

Ob die anderen Aktionäre das auch so sehen? Für Alain Kinsch müsste die Beteiligung an Phial immerhin zur Folge haben, im Staatsrat über kein Gutachten zu einem Gesetzentwurf mit Relevanz für ärztliches Tun mehr abstimmen zu können. Für einen Kommentar war Kinsch nicht zu erreichen. Marc Giorgetti sagte dem Land: „Ich bin Phial-Aktionär, weil die Findel Clinic bei mir gemietet hat.“ Aus ihrem Tagesgeschäft halte er sich raus, „ich bin ja kein Arzt“. Ob sich über die Mieteinnahmen hinaus an den Aktivitäten der Findel Clinic Geld verdienen lassen werde, „dat gesi mer dann“.

Vielleicht hat die Zurückhaltung damit zu tun, dass sich noch nicht sagen lässt, wie interessant für Ärzt/innen aus dem Grenzgebiet die Findel Clinic tatsächlich sein wird. Oder es soll der Eindruck vermieden werden, dass es dabei um Kommerz geht. Denn noch steht im Deontologiekodex der Ärzt/innen: „La médecine ne doit pas être pratiquée comme un commerce.“ Doch je nachdem, wieviel Entgelt Phial von den Ärzt/innen nimmt, ist das für sie ein Anreiz, viel abzurechnen, beziehungsweise viel zu arbeiten. Oder vielleicht etwas anzubieten, das nicht in der Gebührenordnung steht, und dafür eine convenance personnelle zu berechnen.

Philippe Wilmes will sich nicht dazu äußern, wie groß der Arbeitsumfang je nach Arztdisziplin sein wird, für die das Entgelt ganz unterschiedlich ausfallen muss. Ein Psychiater etwa braucht nur ein Sprechzimmer, eine Kardiologin braucht auch teure Apparate. Solche Zusammenhänge sind Geschäftsgeheimnis von Phial.

Im Grunde aber nutzen der Ex-Präsident der AMMD und der Ex-Vize denselben Ansatz wie die Zahnarzt-
Zentren, die vor acht Jahren aufkamen und in denen Investoren Behandlungs-Infrastruktur und Administration vermieten. Verboten sei das nicht, stellte der Collège médical, das Selbstkontrollorgan der Ärzte, fest (d’Land, 11.8.2023). Dass Alain Schmit als AMMD-Präsident fand, dadurch seien zu viele Zahnärzte ins Land gekommen, und sein Nachfolger Chris Roller meint, in den Zentren werde zu viel berechnet, ist nicht ohne Ironie. Und vielleicht gründen noch andere Ärzt/innen Firmen wie Phial; es muss ja keine Ärztegesellschaft sein, die Angestellte hat und für die Martine Deprez erst noch den Gesetzentwurf schreiben muss.

Über die Jahre wurde das Verständnis von Medizin auch hierzulande immer kommerzieller. Dass ein Arzt oder eine Clinic öffentlich für sich wirbt, war vor zehn Jahren noch verboten. Dass Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen sich zusammentun können – bislang in Assoziationen –, ist ebenfalls relativ neu. Seitdem hält der Collège médical es auch nicht mehr für „unlauter“, wenn in einer Gemeinschaftspraxis eine Allgemeinmedizinerin einen Patienten zu einem Spezialisten im selben Haus überweist. Philippe Wilmes wirbt heute genau damit: Ein Vorzug der Findel Clinic werde sein, hausintern überweisen zu können.

Gut möglich, dass die Findel Clinic, ähnlich wie die Vorstellungen der AMMD von Ärztegesellschaften, für Konflikte mit den Allgemeinmedizinern sorgt: Sie erkennen in multidisziplinären Konzentrationen des Angebots einen Angriff auf ihren Markt und auf ihre Existenz als oft noch allein oder in kleinen Zusammenschlüssen tätige Freiberufler. Richtig Geld aber würde das Modell Findel Clinic abwerfen, wenn die Vertragsbindung der Ärzte an die CNS „flexibler“ würde, wie die AMMD in ihrem politischen Rundumschlag gegen die CNS und Martine Deprez fordert. Dann könnten Zuschläge auf die Tarife ganz offiziell erhoben werden. Dann könnten Aktionäre mit Dividenden rechnen.

Peter Feist
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