ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Junk Bonds

d'Lëtzebuerger Land vom 04.07.2025

Vergangene Woche übte der Nato-Gipfel in Den Haag ein „wartime mindset“ (Generalsekretär Mark Rutte). Und beschloss: „Allies commit to invest 5% of GDP annually on core defence requirements as well as defence-and security-related spending by 2035“ (Abschlusserklärung, 25.6.).

Im Juli 2023 erlaubte die Nato, die Luxemburger Rüstungsausgaben nicht am Bruttoinlandsprodukt (PIB/GDP), sondern am Bruttonationaleinkommen (RNB/GNI) zu messen. Nach dem Gipfel vergangene Woche freute sich Außenminister Xavier Bettel, dass die Ausnahmeregelung beibehalten werde (RTL, 26.6.).

Das Bruttonationaleinkommen hieß bis 1999 Bruttosozialprodukt. Es ergibt sich, wenn die mit dem Ausland ausgetauschten Kapitalerträge und Löhne, Steuern und Subventionen vom Bruttoinlandsprodukt abgezogen werden.

2023 machte laut Statec das Bruttoinlandsprodukt 81 Milliarden Euro aus. Davon überwiesen Banken, Fonds, Konzernfilialen, Briefkastenfirmen elf Milliarden Dividenden und Zinsen netto ins Ausland, wurden 14 Milliarden Löhne netto an Grenzpendler gezahlt. Zieht man sie vom Bruttoinlandsprodukt ab, bleibt ein Bruttonationaleinkommen von 56 Milliarden Euro.

Das Bruttonationaleinkommen ist ein Drittel niedriger als das Bruttoinlandsprodukt. Entsprechend fallen auch die geplanten Militärausgaben ein Drittel niedriger aus. Das würde heute eine Ersparnis von 1 240 Millionen jährlich darstellen. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis dient auch der Verteidigung von Steueroasen.

Das Bruttoinlandsprodukt machte vergangenes Jahr 86,1 Milliarden Euro aus. Das Bruttonationaleinkommen darf man auf 59 Milliarden schätzen. Fünf Prozent davon ergeben Rüstungsausgaben von jährlich 2 950 Millionen Euro. Das sind elf Prozent des Staatshaushalts. Dann wird das Militärbudget das viertgrößte nach Sozialem, Erziehung, Mobilität/Bauten. Sechsmal größer als das Budget des Ministeriums für Umwelt, Klima und Biodiversität.

Die B61 ist die Standard-Wasserstoffbombe der US-Armee. Nach Berechnungen der Federation of American Scientists, „each B61-12 bomb would cost $28 million“(Strategic Security Blog). Mit der Erhöhung der Rüstungsausgaben bis 2035 auf fünf Prozent des Bruttonationaleinkommens könnte die großherzogliche Armee jedes Jahr 123 Atombomben kaufen. Verteidigungsministerin Yuriko Backes will stattdessen mobile Raketenbatterien zur Abwehr von ballistischen und Kurzstreckenraketen kaufen (Radio 100,7, 5.6.).

In der Erklärung zur Lage der Nation zählte Premier Luc Frieden drei Finanzierungsquellen für die weitere Hochrüstung auf: „Éischtens, een Deel iwer de Budget selwer – ënner anerem mat engem ‚defense bond‘, also e Staatsemprunt fir Sécherheet, un deem sech Privatleit bedeelege kënnen“ (13.5.).

Es ist das erste Mal, dass Luxemburg Kriegsanleihen auflegen will. Während der bisherigen Kriege auf seinem Staatsgebiet wurde es als passives Opfer überrumpelt. Beim nächsten will es aktiv an den Vorbereitungen teilnehmen.

Nicht nur Foyer und Lalux, auch Kleinsparer sollen Kriegsanleihen kaufen. Dazu muss patriotisch-militaristische Werbung geschaltet werden. Wie im Ersten Weltkrieg: „War bonds like tanks / Break the huns’ ranks.“

„Zweetens, duerch eng nei Prioriséierung vun den Ausgaben.“ Bei jedem Konjunktureinbruch werden staatliche Investitionen aufgeschoben. Oft als Buchhaltungstrick, oft als Verzicht auf eine Umgehungsstraße, ein Lyzeum. Diesmal zugunsten der Rüstungsindustrie.

Als dritte Finanzierungsquelle ein „nationale Fong bei der SNCI, deen an Aktivitéite finanzéiert, déi fir militäresch an zivil Zwecker benotzt kënne ginn“. Militärausgaben sollen an die staatliche Investitionsbank ausgelagert werden. Damit das Haushaltsdefizit unter drei Prozent, die Staatsschuld unter 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleiben.

Doch die Sorge um das Triple-A ist unbegründet. Kriegsanleihen sind Junk Bonds. Das hohe Ausfallrisiko verlangt eine hohe Verzinsung: Nach der ersten Atombombe ist die Tilgung nicht mehr gewährleistet.

Romain Hilgert
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