ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Kriegssteuer

d'Lëtzebuerger Land vom 31.10.2025

2026 wird ein Rekordjahr. Das verspricht der Haushaltsentwurf der Regierung: Der Staat gibt erstmals mehr als eine Milliarde für militärische Rüstung aus. 1 099 871 000 Euro sind eingeplant. Das ist so viel wie für den Beschäftigungsfonds oder den Öffentlichen Dienst. Doppelt so viel wie für den Wohnungsbau oder die Umwelt. Das Dreifache der Ausgaben für die Justiz. Viermal so viel wie für Kultur oder die Universität.

Die Militärausgaben steigen binnen eines Jahres um eine Drittel Milliarde. Sie machen 3,7 Prozent aller Staatsausgaben aus. Das ist der höchste Anteil seit 63 Jahren. 1963 war die Zeit zwischen Kubakrise und Vietnamkrieg. Des obligatorischen Militärdienstes. Der Schaffung eines Luxemburger Artilleriebataillons für die US-Infanterie.

Wie die Höhe der Rüstungsausgaben bestimmt wird, macht ökonomisch keinen Sinn. Sie wird nicht nach den Erfordernissen der Landesverteidigung berechnet. Sie wird im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen festgelegt. Das macht sie zu einer zweiprozentigen Kriegssteuer. Vom Erlös gehen 635 Millionen an den Fonds d’équipement militaire: an die internationale Rüstungsindustrie.

Die hohen Militärausgaben machen auch strategisch keinen Sinn. Mit ihnen ist kein Krieg, kein Friede zu gewinnen. Die Pariser Feuerwehr ist sieben Mal so groß wie die Luxemburger Armee. Die Regierung macht sich keine Illusionen. Premierminister Luc Frieden geht es darum, dass „mer e gréissere Reputationsschued vu Lëtzebuerg wëllen evitéieren“ (Radio 100,7, 15.5.25).

Nach dem Bankenkrach, der Covid-Seuche, dem Ukrainekrieg, der Machtergreifung in den USA entsteht ein neues Akkumulationsregime. Es droht, autoritär, ungleicher, klimafeindlich, protektionistisch, kriegerisch zu werden. Wirtschaftsblöcke, Machtblöcke zeigen sich bereit, ihre Konkurrenz um begrenzte Ressourcen militärisch auszutragen.

Deshalb soll die Europäische Union eine Militärmacht werden. Wie die USA, China, Russland. Unter deutschem Kommando, mit französischen Atombomben. Um notfalls mit Gewalt Ansprüche auf fremde Absatzmärkte, Produktionsstandorte, seltene Erde, Schifffahrtswege, Erdgas, Computerchips durchzusetzen.

Also entrichtet der Luxemburger Staat seine Kriegssteuer. Damit die Verbündeten notfalls die Interessen der Finanzbranche, der Exportindustrie militärisch mitverteidigen: „Mir mussen einfach och, wa mer wëllen eng gewëss Solidaritéit hunn, eisen Deel matdroen.“ Kalkuliert Außenminister Xavier Bettel (RTL, 23.10.25).

Grüne und ADR träumen vom Nullwachstum. Seit Anfang des Jahrzehnts wird ihr Traum Wirklichkeit. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation sollen Rüstungsausgaben das Geschäft beleben. Anfang des Monats errechnete das Statec in seinen mittelfristigen Konjunkturprognosen ein „scénario favorable“. Es beruht auf einer „intensification des mesures de relance [...] ainsi que sur une hausse des dépenses de défense“ (Statnews, 8.10.25). Der Kommentar zum Haushaltsentwurf verspricht: „L’implication des entreprises luxembourgeoises et le renforcement du tissu économique dans le domaine de la défense sera prioritaire dans l’engagement des fonds“ (S. 74).

Die Militarisierung der Gesellschaft ist Folge und Voraussetzung der horrenden Rüstungsausgaben. Militarisierung heißt Manichäismus von Freund oder Feind, die Verteufelung von Kompromissen, Verhandlungen, Interessenausgleich. Sie schürt Angst vor groben Feindbildern: dem Terroristen, dem Einwanderer, dem Russen. Vor dem unsichtbaren Ennemi in unserer Mitte, seinen „tentatives d’ingérence malveillantes visant à mettre hors service des entreprises ou des administrations et à saper la confiance de la société en l’État“ (Stratégie nationale de résilience „Lëtz Prepare“, Oktober 2025, S. 14).

Angst soll kritisches Denken, demokratische Debatten verhindern. Politische Gefolgschaft herstellen. Militarisierung heißt Gewaltbereitschaft, Intoleranz, Nationalismus. Sie gehören zum ideologischen Arsenal Rechtsradikaler. Sie ebnen ihnen den Weg.

Romain Hilgert
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