Täter-Opfer

d'Lëtzebuerger Land vom 31.10.2025

Auf eine Anfrage des Abgeordneten David Wagner (Linke) arbeitete die cellule scientifique des Parlaments ein 63-seitiges Dokument zum Mobbing in der Schule aus. Die Arbeit bezieht sich auf die rezentesten Daten, die es zum Thema gibt: die Studie Health behaviour in school aged children, ebenso wie Teile der Pisa-Studie. Die Datenlage bis 2022 zeigt wenig überraschend, dass schulische, psychische und körperliche Beeinträchtigungen das Risiko, Opfer von Mobbing zu werden, erhöhen. Dabei können solche Erfahrungen in der Kindheit langwierige Konsequenzen haben: Sie erhöhen das Risiko im Erwachsenenalter Depressionen, Angstzustände und Suchterkrankungen zu erleiden.

Luxemburg schneidet im internationalen Vergleich durchschnittlich ab. In Frankreich ist das Phänomen weniger ausgesprägt, in Deutschland etwas stärker. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Lyzeen hierzulande eindrücklich: 21 Prozent der jüngeren Schüler/innen des Préparatoire sind von Cybermobbing betroffen, fast doppelt so viele wie für die gleiche Altersklasse im Classique (zwölf Prozent). Die Verlagerung des Mobbings ins Internet ist ab 2018 belegt. Während das real-life-Mobbing in Luxemburg abnimmt, nimmt Cybermobbing zu.

Die cellule scientifique weist darauf hin, dass es für Kinder unter elf Jahren gänzlich an Daten fehlt. Das lässt sich auch darauf zurückführen, dass es im Fondamental keinen Sepas (Service psycho-social et d’accompagnement scolaire) gibt. Der Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher (Okaju) hatte 2024 in seinem Bericht darauf hingewiesen, dass eine Implementierung in der Grundschule vonnöten sei. Das schwarz-blaue Koalitionsabkommen formuliert dazu nichts Konkretes, außer, das Wohlbefinden in der Schule steigern zu wollen.

Der Geschlechtsunterschied ist ebenso greifbar. „En effet, la masculinité hégémonique, qui valorise la répression des émotions, l’agressivité, la compétitivité et le pouvoir, favorise les comportements de harcèlement physique. Les garçons ont souvent recours à la violence physique pour affirmer leur masculinité et éviter de paraître faibles, tandis que les filles ont tendance à recourir à des formes d’exclusion sociale pour conserver leur statut au sein d’un groupe“, heißt es im Bericht. In den Ländern, in denen Gleichstellung weniger stark ausgeprägt sind, sind Jungs eher Täter und Opfer; in Ländern wie Luxemburg sind Mädchen eher Opfer. Das lege nahe, dass „soziale Normen und die entsprechenden Geschlechterrollen internalisiert würden und eine wichtige Rolle in der Mobbingdynamik spielen“. Auch die Familiendynamik spielt eine entscheidende Rolle: Während offensive, negative Kommunikation und ein autoritärer Erziehungsstil Risikofaktoren sind, gelten Empathie, emotionale Bereitschaft und autoritative Erziehung (hohe Aufmerksamkeit und Wärme ebenso wie hohe Autorität) als Schutzfaktoren.

Seit zwei Jahren leisten unter anderem die White Tigers Präventionsarbeit in Schulen und Maison Relais. Das Ganze auf ungewöhnliche Manier, denn sie begleiten Mobbingopfer auf Motorrädern zu den Orten, an denen sie diese Erfahrungen machen. Außerdem klären sie mit Workshops auf. „Wir sind gefragt“, sagt Anna Casalegno, Sekretärin der White Tigers, im Gespräch mit dem Land. Viele Kinder seien sich der Konsequenzen von Mobbing nicht bewusst. Die Tigers kümmern sich nicht um die Täter, lediglich um den Schutz des Opfers. Die Täter machen meist große Augen wenn die Tigers ankommen, sagt Anna Casalegno, und fragen: Wer ist das? Meist beruhige sich die Situation danach.

Das Bildungsministerium brütet derzeit einen nationalen Anti-Mobbing-Plan (Pan) aus, der 2026 erscheinen und zur nächsten Rentrée in Kraft treten soll. Ein besonderes Augenmerk soll auf dem Cybermobbing und dem „verantwortlichen und respektvollen Umgang“ mit den digitalen Tools liegen. Die vier Hauptachsen seien Prävention, Schutz. Kompetenzen und Gouvernance, heißt es aus dem Bildungsministerium. Derzeit wird mit Eltern, Lehrpersonal und Schülern beraten.

Sarah Pepin
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