Das Entsetzen ist groß, nachdem ein Mann mit seinem Auto in Wiltz in eine Gruppe Menschen raste, in der sich neben anderen seine Ex-Frau und das gemeinsame zweijährige Kind befanden. Die Frau kam schwer verletzt in die Klink, das Kind verstarb wenig später, der Täter wurde von der Polizei festgenommen. Jetzt rätselt die Öffentlichkeit: Wie kann ein Mann, ein Vater dazu, eine solche Tat begehen?
Noch sind die genauen Umstände unklar, aber der Kontext ist, anders als manche glauben lassen, nicht so rätselhaft. Dass abgewiesene oder verlassene Männer zur Waffe greifen (hier: ein Auto) und die Ex-Partnerin – und gemeinsame Kinder – attackieren, kommt immer wieder vor. Im Juli starb in Remich eine 22-Jährige, nachdem ihr ehemaliger Lebensgefährte sie mit einem Messer angegriffen hatte. Zu Silvester 2017 überschüttete ein Mann seine Lebensgefährtin im Schlaf mit Benzin und zündete sie an. In Esch-Alzette richtete vor zwei Jahren ein 59-Jähriger seine von ihm getrennt lebende Frau mit sechs Pistolenschüssen regelrecht hin.
Schaut man die Statistiken zu häuslicher Gewalt, wird klar: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Frau von ihrem (Ex-)Partner angegriffen wird; manchmal, aber das ist selten, geschieht es auch umgekehrt und die Frau schlägt zu. Doch statt die Ursachen zu analysieren, berichten Medien verharmlosend von „Familientragödie“, „tödlichem Beziehungsdrama“, „Mord im Affekt“ – und wenden somit den Blick weg vom Täter und seiner Gewalttätigkeit.
Studien belegen, Gewalt findet in allen sozialen Schichten statt. Es gilt aber auch: Je isolierter und patriarchaler die Beziehung ist, in der die Frau lebt, desto höher ist die Gefahr, dass sie Opfer sexualisierter und häuslicher Gewalt wird, die für manche tödlich endet. Am gefährlichsten ist für Frauen in Beziehungen der Moment der Trennung, wenn sie fortgeht und sich dem Einfluss des (Ex-)Partners entzieht.
Gesunde, gestandene Männer halten die mit einer Trennung erfahrene Zurückweisung aus – schwache Männer, die ihrer (Ex-)Partnerin kein eigenes Leben zugestehen, sie als Besitz betrachten, sehen nicht selten Einschüchterung, Belästigung und Gewalt als probate Mittel, um Wut und Aggression loszuwerden und das alte Machtverhältnis wieder herzustellen. Oder, wenn das nicht geht, als ultimative Strafe: Tod, nach dem Motto: Wenn ich sie nicht haben kann, dann auch niemand anderes.
Psychologen und Soziologen sprechen von „toxischer Männlichkeit“. Gemeint ist ein Männerbild, das von Dominanz, (sexueller) Potenz und Aggression geprägt ist, das von Männer implizit verlangt, sich zu behaupten. Verletzlichkeit zu zeigen und Probleme (rechtzeitig) zu besprechen, ist weniger angesagt. Opfer sind nicht nur Frauen: Männer neigen häufiger zu Depressionen, sie suchen bei psychischen Problemen seltener Hilfe, sie haben mehr Unfälle, sie wählen drastischere Methoden beim Suizid, weshalb sie damit öfters erfolgreich sind. Und sie sitzen häufiger in Gefängnissen.
Damit sich das ändern kann, muss das Problem klar benannt und darf nicht länger so getan werden, als handele es sich bei so blutigen Taten um extreme Aussetzer eines Einzelnen oder um eine Tragödie, die nichts mit Rollenvorstellungen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu tun hat – und als gäbe es keine Handlungsalternativen. Es gibt Vorkehrungen, die die Gesellschaft treffen kann, um Frauen besser vor solcher Gewalt zu schützen: Bannmeilen und Kontaktverbote für Stalker im Strafrecht einführen, Eifersucht, häufiges Motiv bei Trennungstaten, wie Habgier und Rachsucht zu den niedrigen Beweggründen zählen, in Erziehung und Aufklärung immer auf ein gleichberechtigtes Miteinander und Einvernehmlichkeit setzen.